Donnerstag, 18. Juli 2013

Neues zu wikingerzeitlichen Gusstiegeln

Schon vor einiger Zeit habe ich einen Post über die Gusstiegel der Wikingerzeit verfasst. In diesem vermutete ich, dass der zapfenartige Fortsatz der in Ribe gefunden Tiegel dem Bronzegießer als Haltegriff für die leichtere Entnahme aus dem Schmelzofen diente.

Dem ist NICHT so. Die Fortsätze der Originaltiegel sind in der Regel viel zu kurz und klobig, um als brauchbarer Griff zu dienen. Darüber hinaus wird ein Tiegel bei 1200 °C (übliche Gusstemperatur) weich, sodass ein solcher Griff sogar abbrechen kann.

Wozu dann also diese seltsame Tiegelform? Nun, die wikingerzeitlichen Tiegel bestandenhauptsächlich aus mit Schamotten und Sand gemagertem Ton, einer Mischung die zwar die hohen Temepraturen eines Gussofens durchaus aushalten kann, aber nicht auf lange Zeit. Die Zapfen dienen dazu, die Tiegelwand an der heißesten Stelle des Ofens, nämlich da, wo die Luftdüse sitzt, vor dem Durchschmelzen zu schützen. Desweiteren hilft die Form dabei, die an der Düse entstehende Hitze gleichmäßig um den Tiegel herum zu transportieren.

Und weil es gerade so passend ist, eine kleine Übersicht wikingerzeitlicher Tiegelfunde:








Montag, 15. Juli 2013

Bronzeguss in Haithabu

Vergangenes Wochenende hat sich ein von mir lange gehegter Wunsch erfüllt: zusammen mit meiner Gruppe Hrafns-Skari haben wir dem Namen dieses Blogs alle Ehre gemacht und unser Zeltlager auf dem Sommermarkt in Haithabu aufgeschlagen.

Zwar war es nicht das erste mal, dass ich auf dem Gelände war, aber nun das erste mal als mitwirkender Akteur. Diese Chance nutzten Fjørgyn und ich natürlich, um weiter an unseren Bronzeguss-Fähigkeiten zu feilen.


Unsere Bronzegusswerkstatt beim Sommermarkt

Als wahrer Glücksfall stellte sich die Anwesenheit von Ken Ravn Hedegaard heraus (ja, genau der mit dem Rezept aus dem vorangegangen Post). Dieser stellte sich nicht nur als unerschöpfliche Quelle in Punkto historischer Bronzeguss heraus, er war auch extrem nett und hilfsbereit und erklärte sich sogar dazu bereit, am Sonntag mit mir zusammen ein paar Gussversuche zu unternehmen.



Ken und Sven beim Fachsimpeln



Ausbaufähige, aber gute Gussergebnisse


Alles in Allem war der Sommermarkt eine tolle Veranstaltung, die für mich dank neu gewonnener Erfahrungen und Kens Ratschlägen sehr bereichernd war. Nächstes Jahr gerne wieder!

Donnerstag, 27. Juni 2013

Keine Form ohne Formlehm - eine Rezeptur

Ohne diese klebrige, leicht muffige Masse wäre ein gelungener Bronzeguss nicht möglich - der Formlehm. Aus ihm werden die Gussformen hergestellt, in die später die flüssige Bronze gegossen wird. Dabei muss der Lehm einige sehr spezifische Eigenschaften besitzen, um ein optimales Gussergebnis erreichen zu können.

Dank Arnulf von der Sippe Gunturson bin ich nach langer Suche endlich an den hervorragenden Artikel des Archäologen und begnadeten Bronzegiessers Ken Ravn Hedegaard, "Casting Trefoil Brooches" gelangt, in dem er sein Rezept für einen optimalen Formlehm veröffentlicht hat:

"Actually the main content of these moulds was horse or cow dung, fresh from animals at pasture. I prefer horse dung, but I am sure cow dung was used more in the Viking Age. You also need hair – horsehair is good, but human hair works fine too. The clay has to be free from lime and as fine-grained as possible. Then you need some chamotte to temper the mixture. Here you reuse old used moulds (crushed pottery when no old moulds are at hand). I normally go for a mixture of 50% dung, 35–40% clay, 8–12% chamotte and some 3% hair (ca. volume). If in doubt, add more dung and hair, not more clay."*

Wozu 50% Pferde- bzw. Kuhmist? Ganz einfach, die Ausscheidungen bestehen zum größten Teil aus kleinstem organischen Material. Beim Brennen der Gussform verbrennt dieses und lässt eine poröse Struktur zurück. Dadurch kann beim Gussvorgang die Luft aus der Form besser entweichen, was wiederrum eine optimale Verteilung des flüssigen Metalls ermöglicht. Die Schamotte und die Tierhaare hingegen sorgen für eine rissfreie und stabile Abtrocknung der Gussform.

Keine Frage dass ich das Rezept umgehen ausprobieren musste, Ergebnisse gibt es in kürze. Viel Spaß beim Matschen!



* Hedegaard, Ken Ravn, "Casting Trefoil Brooches" in "Viking Heritage Magazine 1/2005"

Dienstag, 25. Juni 2013

Ein Frauenmantel in Anlehnung an die Haithabufunde

Die Frage nach einem Mantel als Bestandteil der wikingerzeitlichen Frauentracht hat Fjørgyn schon lange beschäftig. Nicht nur weil sie sich für das Thema an sich interessiert, sondern auch, weil ihr Abends trotz Lagerfeuer immer wieder zu kalt war.

Der bei vielen Darstellern allseits beliebte Rechteckmantel kann im allgemeinen wohl eher als Statussymbol wohlhabender und herrschender Männer betrachtet werden und kam somit nicht in Frage. Aus dem Fundkomplex der wikingerzeitlichen Handelssiedlung Birka gibt es jedoch Hinweise auf ein nach vorne offenes Frauengewand1.

So entschloss sich Fjørgyn kurzerhand einen solchen Mantel in Anlehnung an jene Textilreste aus dem Hafen von Haithabu anzufertigen, die als Fragmente der Frauenobertunika angesprochen werden. Aufgrund des dürftigen Fundmaterials kann nicht eindeutig belegt werden, ob diese ursprünglich vorne offen oder geschlossen war.

Bedeutend für ein mögliches Schnittmuster waren vor allem die als Keilstücke (Gere) gedeuteten Fragmente, die von einem etwa knöchellangen, künstlich eingefärbtem Gewand in Gleichgratköperbindung 2/2 stammen. (Frag. 6A-B, 21A-B). Diese lassen aufgrund ihrer umgeschlagen Saumkante und Nähte auf ein mit einem Futterstoff und Besatzstreifen versehenes Kleidungsstück schließen.


Fragmente 6A & 6B

 
Fragmente 21A & 21B

Als Ärmel des Mantels kam das gut erhaltene Ärmelfragment 57 in Frage, welches ich in diesem Beitragbereits genauer beschrieben habe. Aufgrund der Modelung des Ansatzes kann von einem zur Schulter hin eingezogenem Ärmelausschnitt am Rumpf des Gewandes ausgegangen werden. Dieses von Hägg aufgrund der Länge von 58cm als Armteil eines Männergewandes angesprochene Fragment kann jedoch wegen seines eingezogen Schnittes durchaus auch Teil eines von einer Frau getragenen Kleidungsstück stammen, da dieser eine solche Länge erfordert.

Für die Herstellung des Mantels entschied sich Fjøergyn für einen naturbraunen Wollköper in Gleichgratbindung sowie einen mit Eichenrinde gefärbten, ebenfalls gleichgratbindigen Wollköper als Futterstoff. Für die Teilstücke des Ärmelsschnittes wählte sie sich aufgrund der stark dunklen Färbung des Orignalfragmentes für einen mit Indigo gefärbten Stoff.
Die Vorderseite des Mantels überlappt auf der einen Seite und wird mit einer Fibel geschlossen. Dies steht im Gegensatz zu dem von Hägg vermuteten, mittig geschlitzten Mantel und bleibt spekulativ.



Gesamtansicht des Mantels


Detailansicht des Halsausschnittes


Detailansicht Ärmelkonstruktion außen...


...und innen




weitere Details


1 Hägg, Inga - Mantel och kjortel i vikingatidens dräkt

Mittwoch, 29. Mai 2013

Neue Überlegungen zur Haithabu-Untertunika

Derzeit recherchiere ich zur Konstruktion der Obertunika aus den Textilfunden von Haithabu. Bei meinen Nachforschungen bin ich auf Ergebnisse gestoßen, die mich meinen Rekonstruktionsvorschlag zur Untertunika nochmals überdenken lassen.

Aus dem Hafen von Haithabu gibt es zwei Fragmente (Nr. 66 und 67), die aufgrund ihrer Konstruktionsweise auf eine Obertunika mit gespaltenem Rockteil hinweisen. Der Schurz eines solchen Gewandes ist also nicht komplett bis zum unteren Saum geschlossen sondern mit Schlitzen versehen, die dem Träger eine größere Bewegungsfreiheit ermöglichen.
Tatsächlich gibt es auf dem Teppich von Bayeux mehrere Abbildungen von Männern, die eindeutig eine solche Tunika mit gespaltenem Rockteil tragen.





Zur Konstruktion der Obertunika werde ich demnächst einen eigenen Post verfassen, hier soll es nun ja eigentlich um die Untertunika gehen:
Stutzig gemacht hat mich die Darstellung eines Mannes, der mit einer Breitaxt einen Baum behaut.
Bei dem auf einem Baumstamm sitzenden Mann ist deutlich der Schnitt des Unterteils seiner Tunika zu erkennen. Diese scheint bis zur Hüfte gespalten zu sein, sodass man die Hosenbeine bis zum Bund sehen kann. Dies ist nur möglich, wenn auch das Untergewand des Mannes ebenso gespalten ist wie die Obertunika.



Dies führt mich zurück zum Fragment 55A, das wohl vom Schurzteil einer Untertunika stammt. Zwischen den Teilfragmenten c und d findet sich eine schlitzförmige Öffnung, die nach unten hin abgerissen ist. Diesen habe ich als fragmentarischen Rest eines Tascheneingriffs interpretiert und rekonstruiert. Ähnliche Konstruktionen gibt es bei Gewandresten aus Herjolfnes auf Grönland.
Aufgrund der Abbildung der gespaltenen Männerhemden auf dem Teppich von Bayeux könnte es ich bei der Schlitzöffnung von Fragment 55A aber durchaus auch um den Schurzteil einer gespaltenen Untertunika handeln.



Fragment 55A mit schlitzförmiger Öffnung


Die Anzahl der Schlitze im Schurzteil des Gewandes lässt sich leider anhand der Abbildungen nicht exakt bestimmen. Der auf dem Baum sitzende Mann könnte eine Tunika tragen, die sowohl vorn, hinten wie auch an den Seiten einen Schlitz aufweist. Bei den anderen, oben gezeigten Abbildungen lässt sich immerhin ein Schlitz an der Vorderseite des Gewandstückes erkennen.

Sven


Montag, 20. Mai 2013

Messer und Lederscheide

Nachdem ich mehrere Jahre mit einem immer wieder stumpf werdenden Messer mit nicht-so-authentischer Klinge unterwegs war, wurde es Zeit für etwas neues.

Allzweckmesser und Lederscheide


Da ich Schmiedetechnisch eher zwei linke Daumen habe (wie ein kleiner Krankenhausaufenthalt letztes Jahr in Ribe beweist) habe ich eine passende Klinge über das Internet erstanden. Dabei handelt es sich um eine Klinge nach Typ 3 aus den Funden von Haithabu.



Klingentypen aus dem Fundkomplex von Haithabu
Quelle: "Die Eisenfunde von Haithabu"


Den dazugehörigen Messergriff habe ich von der begabten Kunstschnitzerin Doreen (http://www.das-greiftier.de/) nach Vorlage der Messergriff-Funde anfertigen lassen. Dieser besteht, wie die meisten Messergriffe aus dem Fundkomplex, aus Eschenholz.


Eine Auswahl von Messergriffen
Quelle: "Die Holzfunde von Haithabu"


Verteilung der Messergriffe nach Holzart
Quelle: "Die Holzfunde von Haithabu"



Um das Messer entsprechend zu Verstauen fertigte ich noch eine passende Lederscheide an. Diese besteht, wie die meisten erhaltenen Originale (11 von 31 Exemplaren), aus Ziegenleder. Dieses wurde mit Leinengarn um das Messer genäht und anschließend in Form geschnitten. Ein kleines Lederband dient zur Aufhängung am Gürtel.


Lederfutterale aus Haithabu
Quelle "Die Lederfunde von Haithabu"


Ein kleines Projekt, aber ein praktischer Alltagshelfer!

Sven

Montag, 8. April 2013

Rekonstruktion einer Haithabu-Untertunika (Teil 2)

Liebe Leser,

lange ist hier auf diesem Blog nichts mehr passiert, was vor allem daran lag, dass Fjoergyn und ich für ein halbes Jahr durch Asien gereist sind und somit das Reenactment-Hobby erstmal auf Eis lag.
Nun sind wir aber endlich wieder zurück und möchten natürlich weiterhin mit Euch unsere Erfahrungen und Ergebnisse austauschen - es geht also wieder los!

Den Anfang macht ein Artikel, der, wie ich weiß, schon sehr lange von vielen ertwartet wird. Schon vor über einem Jahr habe ich mit der Recherche- und Rekonstruktionsarbeit zu einer Untertunika nach dem Fundkomplex aus Haithabu begonnen (zu lesen hier). Inzwischen ist sie fertig und ich will Euch das Ergebnis nicht vorenthalten.

Zunächst jedoch einmal: Asche auf mein Haupt! Eigentlich hatte ich geplant, den Stoff für die Tunika von Hand auf meinem Gewichtswebstuhl zu weben. Allerdings hat sich schon beim Aufschären der Kettfäden gezeigt, dass das von mir gewähte Garn leider völlig unbrauchbar war und viel zu schnell riss. Also habe ich mich doch für einen maschinell gewebten Wollstoff in Leinwandbindung entschieden. Dabei achtete ich darauf, dass dieser in Fadenstärke mit den Textilfragmenten aus dem Fundkomplex übereinstimmten, also je 10 Kett- bzw. Schussfäden auf 1cm Breite. Dieser wurde, wie bereits im ersten Artikel vorgeschlagen, mit Walnussschalen braun gefärbt und anschließend zugeschnitten. Vernäht wurde sie mit gezwirntem Wollgarn.


Die fertige Tunika (ungebügelt :-D )


 tiefer, runder Halsausschnitt ohne Schlitz

Bei einem Musterversuch aus günstigem Baumwollstoff musste ich jedoch feststellen, dass der geplante Ärmel nach Fragment 57 in Form und Stil nicht zum gesamten Gewand passte. Während der Oberteil der Tunika eng und körpernah geschnitten ist, stellte sich der rekonstruierte Ärmel als eher weit und schlabberig im bereich der Handgelenke heraus. So entschied ich mich im Sinne der Gesamtoptik für einen fgurbetonenden, trapezförmigen Ärmelschnitt mit leicht bogenförmig eingezogenen Seiten.


 Schnittmuster des Ärmels

Der Rockteil der Tunika wurde wie geplant aus zusammengesetzten Trapezen und Dreiecken konstruiert, inklusive des Tascheneingriffs auf der linken Seite des Schoßes. Die Gesamtlänge des unteren Saums entspricht etwa 2 Metern, was zu einem stark auslaufenden Rockschoß mit guter Bewegungsmöglichkeit fürt. Der Schnitt mit engem Hüftmaß und breitem Abschlusssaum erinnert somit stark an die auf dem Teppich von Bayeux dargestellten Tuniken (wobei es sich dabei sicher um Obertuniken handeln dürfte).



Schoßteil der Tunika


 Tascheneingriff


Tuniken auf dem Teppich von Bayeux

In diesem Sinne, danke für das lange Warten, es wird demnächst wieder häufiger etwas zu lesen geben!

Sven